Kostbar der Herzschlag jeder Minute

Kostbar der Herzschlag jeder Minute
sie schenkt dir den Atem
erlaubt dir anzufangen
aufs neue
In deinem Augenstern
kreist die verwirrende Welt
ruht das Himmelsherz
jede Minute

Mit Bedacht hatte Elisabeth Peltner dieses Gedicht von Rose Ausländer ihrem Verabschiedungsgottesdienst am 17. Februar voran gestellt – und so benannte sie in ihrer letzten Predigt als Pfarrerin, zahlreiche Beispiel aus ihrer Arbeit, in denen jede Minute besonders kostbar war. Ob am Sterbebett , ob im Altenheim, wenn sie sich gemeinsam mit den Senioren an das erste Verliebtsein erinnerte, beim Vergiss-mein-nicht-Gottesdienst oder in der Arbeit in der Gehörlosengemeinde des Kirchenkreises Aachen, die sie seit ihrem Amtsantritt 2009 seelsorgerisch begleitete. Jeweils sprach sie Vertreter der Gruppen im sonnendurchfluteten Kirchenraum persönlich an und war in diesem Moment ganz bei ihnen.

Gott will, dass Menschen neu anfangen

Auch die Mammutaufgabe der Entscheidung und Einführung der Gemeindefusion von Alsdorf mit Würselen und Hoengen-Broichweiden fiel in ihre Amtszeit – abgeschlossen ist sie sicherlich noch nicht. Generell betonte Pfarrerin Peltner ihre Verpflichtung als Christin und Pfarrerin, aufzustehen, wenn die Menschenwürde verletzt wird und konsequent die Nachfolge Christi zu leben – auch wenn dies Bequemlichkeit und Sicherheit kostet. Aber trotzdem bleibt das positive Bekenntnis, dass das Leben ein Geschenk ist und Gott will, dass die Menschen Neuanfänge wagen. Und so sprach sie sich selbst ein bisschen Mut zu für den neuen Lebensabschnitt, der am Montag begonnen hat.

Mut, Dankbarkeit, Freude am Leben und zugleich zahlreiche Segenswünsche sprachen auch die sorgfältig ausgewählten Musikstücke aus, die der Evangelische Kirchenchor Alsdorf unter der Leitung von Munki Jeong im Wechsel mit dem Gemeindegesang gefühlvoll vortrug.

Fähigkeit, Menschen zu berühren

Der Text der Stücke wurde ebenso wie sämtliche Wortbeiträge des Gottesdienstes vor mehr als 150 Besuchern von den Dolmetscherinnen Karoline Janouch und Sabine Breves-Kluth simultan in Gebärdensprache übersetzt – auch die Würdigung von Superintendent Hans-Peter-Bruckhoff. Mit Bezug auf den 1. Petrusbrief 4, 10 („Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“) die Gaben und Talente von Elisabeth Peltner würdigte: Allen voran die Seelsorge, für die sie kein fertiges Rezept in der Tasche hatte, sondern jeweils durch Zeit und Zugewandtheit herausfand, was das Gegenüber gerade brauchte – und sei es manchmal gemeinsames Schweigen.

Auch ihre Fähigkeit, Menschen zu berühren, die „Freiheit des Evangeliums zum Leuchten zu bringen“, stellte er heraus: „Ich habe Dich niemals in einem Gottesdienst angestrengt erlebt, ich hatte immer eher das Gefühl, dass Du gerne tanzen würdest und immer ganz im Hier und Jetzt warst“. Gremienarbeit hingegen, verriet er mit einem Augenzwinkern, empfand sie eher als Pflichtaufgabe. Doch Bruckhoff machte auch auf den zweiten Teil des Bibelworts aufmerksam, indem er betonte, dass das Dienen (zumal im Pfarrdienst) kein Selbstzweck ist, sondern man als „guter Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“ wirken soll. Was das konkret bedeute, müsse jeder Amtsinhaber und jede Amtsinhaberin jedoch immer wieder neu herausfinden.

Symbolischer Auszug

In der anschließenden Entpflichtung gaben die Kollegen der Christusgemeinde, die Pfarrerinnen Dorothea-Elisabeth Alders, Petra Hartmann, Annegret Helmer und Pfarrer Harry Haller sowie die Prädikanten Heinz Wolke und Susanne Degenhardt Pfarrerin Peltner jeweils einen ganz persönlichen Segensspruch mit auf den Weg – und dann zog sie ihren Talar als Amtssymbol aus und empfing den Segen von Hans-Peter Bruckhoff als „Zivilperson“.

Aber bitte mit Sahne!

Doch bevor das Orgelnachspiel durch Kantor Joachim Peters in der vollbesetzten Martin-Luther-Kirche erklang, hatte eine buntgemischte Gruppe von Gemeindemitgliedern aus Ofden noch eine kleine Überraschung vorbereitet: In Bademänteln wie einst Udo Jürgens bei seinem letzten Konzertstück gaben sie eine auf Pfarrerin Peltner personalisierte Version von „Aber bitte mit Sahne“ zum Besten, bei der zahlreiche Füße im Publikum mitwippten.

Wegbegleiter aus allen Lebensabschnitten

Dies eröffnete den Reigen der Danksagungen, der beim anschließenden Empfang im Luthersaal noch lange weiter ging. Neben einem Dankeschön-Auftritt des MGV Alsdorf zusammen mit dem MGV Linden-Neusen unter der Leitung von Heinz Dickmeis, die seit einem Jahr im Luthersaal eine neue Probenheimat gefunden haben, und Beiträgen aus der eigenen Gemeinde würdigten zahlreiche Wegbegleiter die Arbeit von Elisabeth Peltner an verschiedenen Stätten, darunter beispielsweise  Rita Horstmann aus Kaarst, unter der Pfarrerin Peltner einst ordiniert wurde.

Elisabeth Peltner wird weiterhin in Alsdorf wohnen bleiben und in der Gemeinde – wenn auch nach einer wohlverdienten Auszeit  – präsent sein.

Juliane Siekmann